Ziegenkitz – hochwertig und fein im Geschmack

Die Verwertung des Ziegenkitzes ist ein wesentlicher Baustein der verantwortungsbewussten Ziegenhaltung. Mit seinem einzigartigen Geschmack ist Kitzfleisch viel mehr als nur ein Nebenerzeugnis der Milch- und Käseproduktion. Als besonders hochwertiges Produkt mit seinem feinen Geschmack, verdient es ebenso viel Wertschätzung in seiner Verarbeitung. Unter Feinschmeckern als Delikatesse bekannt, hat die Aktion „Allgoiß“ sich gemeinsam mit der Öko-Modellregion Oberallgäu das Ziel gesetzt die Bekanntheit des Ziegenkitzfleisches zu steigern und damit die regionale Vermarktung zu fördern. Gastronomen und Landwirte werden dabei zusammengeführt und entwickeln gemeinsam ein regionales Vermarktungskonzept.

Ein Beispiel dieser gelungenen Zusammenarbeit sind Jürgen Lochbihler als Inhaber des Pschorr am Münchner Viktualienmarkt und Johannes Egger aus Vogelsang im Oberallgäu mit seinem ökologisch bewirtschafteten Milchziegenbetrieb. Beide haben sich mit ihrer Vision für mehr Wertschätzung des Produktes Ziegenkitz, über die Aktion „Allgoiß“, gefunden und arbeiten seitdem gemeinsam, erfolgreich für ihr Ziel.

Interview mit Johannes Egger

Johannes Egger aus Vogelsang im Oberallgäu hat 2016 den elterlichen Betrieb übernommen und auf Ökolandbau und die Ziegenhaltung umgestellt. Die zum Betrieb gehörende Grünlandfläche beträgt 13 Hektar. Seine Vision ist eine wirtschaftliche und ethisch vertretbare Ziegenhaltung.

 

Warum sind Sie in die Ziegenhaltung eingestiegen?

Herr Egger: Unser Betrieb war durch seine Größe nicht mehr für die Milchviehhaltung geeignet. Betriebe dieser Größenordnung hören normalerweise auf. Da dies für mich keine Option war, stieg ich in die Ziegenhaltung ein. Damit kann ich trotz meiner kleinen Betriebsgröße von 13 ha Grünland im Vollerwerb arbeiten und meine Familie damit ernähren. Grund dafür ist die Veredelungsstufe, also die Verarbeitung unserer Milch am Hof.

 

Wie viele laktierende Ziegen haben Sie und wie viele Kitze bekommen Sie pro Jahr?

Herr Egger: Wir haben ca. 115 bis 120 zu melkende Ziegen und ca. 150 bis 180 Kitze pro Jahr.

 

Wie werden die anderen Ziegenkitze vermarktet?

Herr Egger: Von den weiblichen Tieren (ca. 80) bleiben ca. 20 – 30 Tiere als Nachzucht am Betrieb. Die verbliebenen werden zur Zucht an andere Ziegenbetriebe verkauft.

Von den Böcken (ca. 80) werden 15 direkt vermarktet. Fünf Tiere werden als Zuchtböcke verkauft. Die verbliebenen Tiere gehen an die Allgäuer Gastronomie.

 

Welche Unterschiede gibt es bei der Haltung, Aufzucht und Vermarktung im Vergleich zu Rindern?

Herr Egger: Vorteile der Haltung von Ziegen im Vergleich zu Rindern sind, dass Klauen- und Eutererkrankungen einen geringen Stellenwert haben. Nachteilig wirkt sich der Weidegang aus. Ziegen sind sehr anfällig für die Breiniere, eine durch verstärkte Eiweißzunahme entstehende Schädigung der Eingeweide und Deformation der Niere.

Die Jungviehaufzucht ist bei den Ziegen im Vergleich schwieriger, da 150 Kitze auf einmal am Tränkautomaten getränkt werden. Beim Auftreten von Durchfallerregern ist ein schnelles Handeln erforderlich, um die Kitzverluste gering zu halten.

Die Vermarktung der Ziegen ist ebenfalls problematischer als bei den Rindern. Nur eine Molkerei verarbeitet Ziegenmilch, wodurch die Landwirte in eine Abhängigkeit des Preises rutschen. Das produzierte Ziegenfleisch muss vom Landwirt selbst vermarktet werden, da kein Viehhändler Ziegen aufkauft. Dadurch erhöht sich der zeitliche und organisatorische Aufwand für den Landwirt.

 

Welches besonderes Herausstellungsmerkmal (GENUSS SCHÄTZE Bayern) haben die Ziegenkitze?

Herr Egger: Ziegenkitzfleisch und -milch haben eine hervorragende Qualität und einen großartigen Geschmack. Allerdings haben Ziegenprodukte aus historischer Sicht ein schlechtes Image, das es heutzutage nicht verdient hat. Darum sollten die Produkte hervorgehoben werden, damit der Verbraucher ein anderes Bild von der Ziege bekommt und diese ihre verdiente Wertschöpfung erlangt.

 

Quintessenz: Warum sollte Wertschöpfung/Bekanntheit gesteigert werden?

Herr Egger: Ich bin als Betriebsleiter dafür verantwortlich, dass die Tiere auf dem Betrieb sind und ich möchte, dass ihr Fleisch gut verwertet wird. Ich engagiere mich stark für die Ziegenkitze, da ich es ethisch nicht für vereinbar halte, Ziegen zu decken und die draus entstehenden Ziegenkitze nicht verantwortungsvoll zu vermarkten.

Ich kann meine Ziegen guten Gewissens belegen, da ich alle meine Kitze angemessen vermarkten und dem Kunden so ein wahnsinnig wertvolles Fleisch bieten kann.

 

Danke für das interessante Gespräch. Wir hoffen, wir können durch diesen Artikel die Wertschöpfung für das Ziegenkitz steigern.

Interview mit Jürgen Lochbihler

Jürgen Lochbihler ist seit 2005 Inhaber vom Pschorr am Münchner Viktualienmarkt. Er setzt sich für mehr Regionalität ein. Die Murnau-Werdenfelser Rinder und Landwirte liegen ihm dabei besonders am Herzen. Bei seinem neuesten Projekt fokussierte er sich auf die Vermarktung von Ziegenkitzfleisch. Daher fanden vom 09.11.2022 bis 22.11.2022 die Ziegenkitzwochen im Pschorr mit wechselnden Gerichten vom Ziegenkitz statt. 

 

Wie sind Sie auf das Thema Ziegenkitz aufmerksam geworden?

Herr Lochbihler: 2018 war ich auf dem von der LfL veranstalteten Projekttag zum Allgoiß Ziegenkitz als Regionalvermartkungspionier eingeladen. Dort konnte ich erste Kontakte zu Herrn Egger knüpfen und wir hatten die Idee eines gemeinsamen Ziegenkitzprojektes.

 

Wieso haben Sie entschieden, dass dieses Produkt unterstützenswert ist? War es das mögliche Potential oder Neugierde?

Herr Lochbihler: Erst einmal ging es weniger darum, was hinten dabei raus kommt. Da ich selbst Landwirt bin, tut es weh zu sehen, dass das Ziegenkitz ein Ballast der Ziegenmilchproduktion ist. Daher kam uns die Idee, dass wir die Hormonausbildung (das sogenannte „Bockeln“) verhindern, indem wir die jungen Böcke unter Narkose kastrieren. Die Grundidee bei der ganzen Aktion ist es, die Wertschöpfung des Ziegenkitzes zu erhöhen.

 

Was ist für die Zukunft geplant? Sehen Sie Potential für weitere Ziegenkitzaktionen?

Herr Lochbihler: Die Aktion ist auch für das nächste Jahr wieder geplant. Die in Kooperation mit dem StMELF und der LfL durchgeführte Evaluierung der Ziegenkitzwoche soll dazu dienen mögliche Verbesserungen aufzuzeigen. Nach 2 Jahren Erfahrungen mit der Aktion können dann andere Innenstadt-Wirte informiert werden und das Ganze größer aufgezogen werden. Die Metropolregion München bietet dafür die besten Voraussetzungen.

 

Wie sehen Sie die Wirtschaftlichkeit des Produktes Ziegenkitz in der Gastronomie?

Herr Lochbihler: Grundsätzlich kann man sagen, dass es nie zu einem übermäßigen Verdienst durch das Ziegenkitz kommen wird. Die Schwierigkeit dabei ist, dass man das komplette Ziegenkitz gekonnt verarbeitet, um diesen regionalen Schatz für die Kunden schmackhaft zu machen. Langfristig muss es das Ziel sein, möglichst wenig Schlachtabfälle zu produzieren, also den Wareneinsatz zu erhöhen.

Wir sehen das Ziegenkitz als neue Möglichkeit des Genusses, aber auch der Verwertung von bereits vorhandenen Ressourcen. Von besonderer Bedeutung ist es daher, dass die Geschichte dahinter weitergegeben wird.

Wer ein Genuss Schatz Bayern werden möchte muss alle drei Voraussetzungen dafür erfüllen: Bayerisch – Tierisch/Pflanzlich – Besonderes Herausstellungsmerkmal. Welches besondere Herausstellungsmerkmal hat das Ziegenkitz in Ihren Augen?

Herr Lochbihler: Ziegen fressen die Pflanzen, die andere Tiere stehen lassen. Dies stellt einen wichtigen Beitrag der Erhaltung der Kulturlandschaft und der Geringhaltung der Verbuschung dar. Um die Tiere anschließend sinnvoll zu verwerten ist eine regionale Vermarktung ethisch sinnvoll. Somit können wir als Gastronomie unseren Beitrag dazu leisten, die Kulturlandschaft durch die kulinarische Verwertung des Tieres zu erhalten. Das steht auch auf unseren Bannern: „Wir und Sie tragen dazu bei, unsere bayerischen Alpen zu erhalten“.

 

Danke für das interessante Gespräch. Wir hoffen, wir können durch diesen Artikel die Wertschöpfung für das Ziegenkitz steigern.

 

Lochbihler: Wir tun das was wir hier tun mit Leidenschaft. Da steckt viel Zeit und Arbeit drin, aber es hat etwas Sinnstiftendes für uns.